Rückblicke eines Senioren

Ich kann mich noch ganz genau an die Gründung des Musikzuges erinnern. 20 aktive Musiker und der Dirigent trennten sich vom Fanfarenzug der freiwilligen Feuerwehr wegen unterschiedlicher Meinungen über den Weg der weiteren musikalischen Entwicklung. Bei der Gründungsversammlung am 13.3.1976 waren 30 aktive Musiker bereit, quasi ohne Instrumente außer einigen privaten Trompeten und ohne Uniform sich den Herausforderungen zu stellen. Privat wurden durch Spenden der Aktiven und deren Familien nach und nach die nötigen Instrumente angeschafft. Wenn man bedenkt, daß ein Sousaphon (Tuba) damals schon 2.500 DM kostete kann man abschätzen welche Mittel hier nötig waren um dies zu finanzieren. Beim ersten Auftritt in Bickenbach hatten wir keine Uniform und trugen schwarze Hosen und ein weißes Hemd.

Die ersten Jahre fanden die Übungsstunden bei Wilfried Kraft im Partyraum statt. Etwas beengt, aber man hatte viel Spaß und Ehrgeiz um neue Stücke einzustudieren. An dieser Stelle sei den geduldigen Nachbarn nochmals herzlich gedankt. Nicht zu vergessen meine Mutter Hildegard Kraft, die nach jeder Übungsstunde in all den Jahren viel zu putzen hatte. Ein wichtiger Punkt war das Entgegenkommen unseres Dirigenten Karl Schäfer, der das erste Jahr ohne jegliche Gage seine Leistungen zu Verfügung stellte. Glück hatten wir auch, daß ein Kontakt mit einem Mainzer Carneval Verein, den Hechtsheimern Dragonern, zustande kam. Dies haben wir unserem immer noch aktiven Senior Gerd Pflüger zu verdanken. Der Vorstand der Hechtheimer Dragoner kam kurzer Hand in unsere Übungsstunde und hörte zu. Ihnen gefiel unsere Musik und wie man weiß, spielen wir in diesem Jahr ebenfalls bereits zum 25zigstenmal in Mainz. Neben dem Ehrenoffiziersempfang und dem Rosenmontagszug spielten wir bei den verschiedensten Fastnachtsveranstaltungen ,unter anderem auf einer Sitzung bei den Finthener Schoppesängern, und in der Mainzer Rheingoldhalle. Einer der Höhepunkte war ein Live-Auftritt beim ZDF. Mit Roberto Blanco, Rolf Braun und einigen anderen bekannten Größen im Showgeschäft. Unser diszipliniertes Auftreten und unser musikalischer Sound, blieb dem damaligen Oberbürgermeister Jockel Fuchs nicht verborgen. Bei einem Empfang erhielt der Musikzug Stockstadt den Verdienstorden der Stadt Mainz. Dies war natürlich eine große Ehre für uns worauf wir auch stolz sein konnten. Die Fastnacht hat für den Musikzug immer eine wichtige Rolle gespielt. Nicht zu vergessen die vielen Sitzungen beim Stockstädter Carneval Verein, in Heidelberg, in Frankfurt und in Wiesbaden im Kurhaus, um nur einige zu nennen. Viel Arbeit und Mühe wurden in diese Showauftritte gesteckt, was viele Bilder und Filme dokumentieren. Unvergessen ist auch das erste Musikfestival in Stockstadt mit den Gästen aus Den Haag in Holland, der Federatie Band. Sie begeisterten unter anderem mit ihrem Showmarschieren auf dem Sportplatz. Viele Auslandsauftritte in Frankreich, Österreich und Italien sind ebenso unvergessen geblieben wie in Bad Ems das Blumencorso, in Neustadt das Weinfest oder die Fahrt nach Berlin, dort dirigierte Karl Schäfer ca. 300 Musiker bei einem Auftritt vor dem damals regierenden Oberbürgermeister. Viele Ausflüge wie z.B. nach München bleiben in guter Erinnerung. Ein großes Ereignis war auch die Fahrt nach Paris.

Bei mehreren Auftritten mit vielen Musikgruppen aus der ganzen Welt bleibt das Russische Armeeorchester der Schwarzmeerflotte aus St.Petersburg unvergeßlich. Nicht nur wegen der großartigen Musik, sondern auch wegen des blühenden Schwarz-Handels mit Kleidungsstücken der Armee und echtem Kaviar. Die Fahrten nach Österreich an den Grundlsee zum Narzissenfest ins Bad Ausseer Land und einige Jahre später an den Wörthersee gehören ebenfalls zu den Highlights des Musikzuges. Fest im Gedächtnis bleibt auch die Verschwisterungsfeier mit Villa Lagarina in der Altrheinhalle. Hierfür mußten eigens die beiden National-Hymnen einstudiert werden. Ein Erlebnis war natürlich auch die dortige Verschwisterungsfeier, besonders der Auftritt spät abends bei den Alpinis auf der Berghütte. Auch als plötzlich der Strom ausgefallen war spielten wir ohne Licht und Noten tapfer unser Programm weiter. Von der Gastfreundschaft und Herzlichkeit sind wir heute noch beeindruckt. Ein wichtiger Abschnitt des Musikzuges waren auch die vielen Wettstreite, Hessische und Deutsche Meisterschaften.Es war viel Fleiß und Übung erforderlich um sich diesen Anforderungen zu stellen. Die Konkurrenz war groß. Doch nach mehreren Hessi-schen und Deutschen Vizemeisterschaften gelang es uns mit dem Musikstück Oh mein Papa den Titel des Hessischen Meisters zu erringen. Für uns war dies besonders wertvoll da wir den amtierenden Hessischen Meister aus König-stein und den Deutschen Meister aus Eschwege besiegen konnten. Wie in jedem Verein veränderte sich die Besetzung der aktiven Musiker durch Zu- und Abgänge ständig. Erwähnenswert hierbei ist, daß fast alle Aktiven bis auf wenige Ausnahmen aus Stockstadt kommen. Auf Grund der guten Jugendarbeit konnte aber immer eine Stammbesetzung von ca. 30 Musikern gehalten werden. Nachwuchsarbeit ist der Schlüssel zur stetigen Weiterentwicklung des Musikzuges. Die Senioren wünschen dem Musikzug viel Nachwuchs und Idealisten wie wir es sind, damit wir uns langsam zurückziehen und die Führung des Vereins den Jungen überlassen können.
Viel Glück für die nächsten Jahre wünscht der

Ehrenmitglied Wilfried Kraft